Während die Stromversorgung Jahrzehnte lang auf Großkraftwerke im Höchstspannungsnetz ausgerichtet war, übernehmen durch den starken Ausbau an erneuerbaren Energien mittlerweile die Energieträger Wind, Wasser, Biogas und vor allem Photovoltaik die Stromerzeugung im Verteilnetz eine größere Rolle. Knapp 900.000 dezentrale Erzeugungsanlagen speisen bereits heute grünen Strom in die E.ON-Verteilnetze ein. Damit lag der Grünstromanteil im Jahr 2020 bei fast 100 Prozent – das sind 35 Prozentpunkte mehr als es das bundesweite Ziel für 2030 verlangt.
Dabei hat sich der starke Ausbau an Wind- und Solarenergie in ganz Deutschland in den letzten Jahren noch einmal beschleunigt. Dieser Trend wird laut Prognosen des Netzentwicklungsplans und der E.ON-Netzbetreiber auch langfristig anhalten und es wird erwartet, dass sich die installierten EE-Leistung im E.ON Netz bis 2030 im Vergleich zu 2019 verdoppelt. Im Jahr 2020 allein wurden knapp drei Gigawatt (GW) Erneuerbare Energien Anlagen an die E.ON-Verteilnetze angeschlossen. Dies entspricht der Leistung von zwei Kernkraftwerken.

Entwicklung und Stand der Erzeugungsanlagen-Anfragen bei der Bayernwerk Netz (Stand 30.09.2021)
Die Nachfrage zum Anschluss von Erneuerbaren Energien-Anlagen ist hoch und die Netzanschlussanfragen haben sich bei der Bayernwerk Netz, einem Verteilnetzbetreiber der E.ON, im Jahr 2020 gegenüber 2018 für die Einspeisung ins Hochspannungs- sowie wie ins Mittelspannungsnetz verdoppelt. Dabei hat sich die Leistung der 2020 angefragten Erzeugungsanlagen gegenüber 2018 versechsfacht. Die durchschnittlich angefragte Anlagenleistung im Jahr 2018 stieg von circa 1.900 kW auf ca. 5.500 kW im Jahr 2020. Der Trend ist hier weiter steigend.
Allerdings stellen teilweise einzelne Unternehmer bzw. Körperschaften mehrere Einspeiseanfragen für verschiedene Flächen in einem bestimmten Gebiet. Nach der Prüfung und verbindlichen Einspeisezusagen leitet der Netzbetreiber das Reservierungsvolumen ab, das den erwarteten neu angeschlossenen Kapazitäten entspricht. Auch dieses steigt stetig an und übersteigt die Kapazitäten einzelner Hochspannungsleitungen oder Umspannanlagen, sodass ein Anschluss weiterer Anlagen je nach Ergebnis des gesamtwirtschaftlichen Kostenvergleichs entweder mit länger werdenden Anschlusswegen oder mit Netzausbaumaßnahmen möglich ist.
„Ohne Stromnetze keine Energiewende.“
Gerade bei den Umspannwerken, die wichtige Knotenpunkte in der Energieversorgung darstellen, gibt es große Herausforderungen: Entweder sind bestehende Umspannwerke auf dem Gelände nicht mehr erweiterbar oder der Erwerb entsprechender Zusatzflächen scheitert. Zudem dauern Planungsverfahren bei Umspannwerksverstärkungen zwei bis drei bzw. bei Hochspannungsverstärkungen fünf bis zehn Jahre. Diese Faktoren wirken hemmend auf die rasche Energiewende in Deutschland.
Bevor es aber zur lokalen Netzverstärkung kommt, muss ein geeigneter Netzverknüpfungspunkt für den potenziellen Einspeiser ermittelt werden. Das genaue Verfahren regelt dabei das Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG). Demnach ist der Netzbetreiber verpflichtet, Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien unverzüglich und vorrangig anzuschließen. Darüber hinaus muss die Ermittlung des Netzverknüpfungspunktes nach dem technischen und gesamtwirtschaftlichen Optimum erfolgen und somit im Hinblick auf die Spannungsebene geeignet sein.
Dabei hat laut EEG der Anlagenbetreiber die Kosten für die Anschlussleitung bis zum Verknüpfungspunkt am allgemeinen Versorgungsnetz und der Netzbetreiber die Kosten einer Netzverstärkung in seinem Netz zu tragen. Mit der Festlegung des Verknüpfungspunkts wird somit über die jeweilige Kostenbeteiligung entschieden.
„Der Netzbetreiber ist zur Bereitstellung eines Netzverknüpfungspunkts, an dem der erzeugte Strom ins Netz eingespeist wird, gesetzlich verpflichtet.“
Bei der Prüfung der technischen Eignung einer Anschlussvariante werden sowohl die bestehenden Anschlussleistungen als auch die reservierten Leistungen, abgeleitet aus den Netzanschlussanfragen, berücksichtigt. Durch den hohen Anstieg der Einspeiseleistungen ist bei vielen Anschlussvarianten aufwändiger Netzausbau erforderlich, um die technische Eignung herzustellen. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass eine Variante ohne Netzausbau mit einem weiter entfernt liegenden Verknüpfungspunkt zu Lasten des EEG-Anlagenbetreibers im gesamtwirtschaftlichen Kostenvergleich günstiger wird.
Kunden der Netzgesellschaften können für Leistungen im Mittelspannungsnetz online schnell und unverbindlich einsehen, ob es freie Kapazitäten zur Einspeisung gibt: Bayernwerk Netz | Schleswig-Holstein Netz
Räumliche und zeitliche Synchronisierung des Erneuerbaren-Energien-Zubaus mit dem Netzausbau
Eine bessere Synchronisierung des EE-Zubaus könnte die Transparenz und Verlässlichkeit für alle Akteure verbessern. Hierzu ist ein Dialog zwischen den wichtigsten beteiligten Akteuren – etwa Politik, Netzbetreiber, Solarbranche, Kommunen, Verbänden – von großer Bedeutung, um ein besseres gegenseitiges Verständnis und eine gemeinsame Lösungsfindung zu ermöglichen. Eine bessere räumliche Steuerung des Zubaus könnte den vorausschauenden Netzausbau erleichtern und eine räumlich gebündelte Betrachtung der Anschlussbegehren ermöglichen.
Im Ausschreibungssegment von PV-Anlagen, das heißt bei Anlagen zwischen 750 kW und 10 MW, sollte geprüft werden, die bereits in den sogenannten „Gemeinsamen Ausschreibungen von Wind- und Solarenergie“ getestete „Verteilernetzkomponente“ zu optimieren und generell anzuwenden. Damit würde ein Anreiz gesetzt, Anlagen zunächst in den Gebieten zuzubauen, in denen noch Netzkapazitäten frei sind.

Der Zubau der Erneuerbaren Energien muss mit dem Netzausbau synchron verlaufen. (Foto: Bayernwerk / Christine Kandlbinder)
Stärker standardisierte Genehmigungsverfahren: einheitliches Vorgehen beschleunigt Netzausbau
Verteilnetzbetreiber sehen sich insbesondere bei Maßnahmen im 110-kV-Netz äußerst komplexen und langwierigen Genehmigungsprozessen gegenüber. Diese führen zu einer Realisierungsfrist von bis zu zehn Jahren. Da der Bau zusätzlicher Erneuerbare Energien Anlagen schneller realisiert werden kann, sind EE-Ausbau und der erforderliche Netzausbau derzeit nicht aufeinander abgestimmt. Um Verfahren zu beschleunigen und regionalen Verteilnetzbetreibern eine bessere Planbarkeit zu ermöglichen, könnte eine einheitliche Vorgehensweise unter Federführung der Landespolitik dienen. Möglichst viele Maßnahmen sollten in einfachen sogenannten „Anzeigeverfahren“ durchführbar sein. Ein strukturierter Austausch in den unterschiedlichen Regionen zwischen Landesministerium, Genehmigungsbehörden und Netzbetreibern könnte gemeinsame Standards etablieren.
Rahmenbedingungen für Investitionen ins Netz Eigenkapitalverzinsung zukunftssicher machen
Unverzichtbare Basis für eine erfolgreiche und kostenoptimale Umsetzung der Energiewende und das Erreichen der Klimaschutzziele ist eine gut ausgebaute und leistungsstarke Energieinfrastruktur. Für den weiteren Aus- und Umbau allein der Stromverteilnetze sind Milliardeninvestitionen in den kommenden Jahrzehnten erforderlich. Hierzulande entstanden – im Übertragungs- und im Verteilnetz – in der Vergangenheit infolge von Netzengpässen bereits Kosten für Entschädigungszahlungen an Anlagenbetreiber. Durch ein Zurückbleiben des Netzausbaus würden diese Kosten für Entschädigungszahlungen für nicht eingespeiste Energie in den Verteilnetzen langfristig ansteigen. Investitionen in Energieinfrastruktur sind ein erprobter und verlässlicher Konjunkturmotor. Damit in die Netze investiert werden kann, bedarf es einer Modernisierung des bestehenden Regulierungsrahmens. Eigenkapital-Zinssätze müssen nicht nur langfristig verlässlich sein – sie müssen auch investitionsanreizend und international wettbewerbsfähig sein.

Generationenvertrag für den Klimaschutz
