Künstliche Intelligenz transformiert die Arbeit am Netz

Drohnen, Roboter und Apps – neue, digitale Technologien können Netzbetreiber in nahezu allen Aufgabenbereichen unterstützen. Von der Netzausbauplanung über Instandhaltungsprozesse bis zur Kundenkommunikation kommen sie bereits zum Einsatz. Diese digitale Transformation kann Prozesse beschleunigen und Kosten reduzieren, erfordert aber auch eine Anpassung der Arbeitsweisen.

Ureigene Aufgabe von Netzbetreibern ist es, eine zuverlässige und sichere Versorgung mit Strom und Gas sicherzustellen. Aktuell ändern sich jedoch technologische, ökologische und regulatorische Bedingungen für Netzbetreiber schnell. Dabei können digitale, datengetriebene Anwendungen Netzbetreibern helfen, ihre Leistung zu steigern. Ein Beispiel ist die künstliche Intelligenz. Die neuen, digitalen Technologien können in nahezu allen Aufgabenbereichen Mehrwert schaffen. Neue Modelle für die Netzausbauplanung berücksichtigen mehrere tausend Szenarien, um anstehende Investitionsentscheidungen zu optimieren. Durch die Nutzung maschineller Lernalgorithmen und prädiktiver Modelle für Betriebsmittel können Netzbetreiber noch besser ihre Instandhaltungsprozesse und Austauschplanung an Zustand und Kritikalität der Betriebsmittel auslegen und optimieren. Digitale Werkzeuge können die Leistung und Produktivität der Mitarbeiter verbessern, beispielsweise im Außendienst durch intelligente Planung von Instandhaltungsaufgaben, Live-Dispatching oder Remote-Support. Auch im Kundenkontakt kann künstliche Intelligenz – Chat Bots – dazu helfen, Anliegen schneller zu bearbeiten.

 

Nutzung von künstlicher Intelligenz schafft Wert am Beispiel von Schaltanlagen in Umspannwerken

Nutzung von künstlicher Intelligenz schafft Wert am Beispiel von Schaltanlagen in Umspannwerken

 

Netzbetreiber wie auch MITNETZ STROM haben den Wert von KI für ihr Geschäft erkannt. Allerdings gibt es große Herausforderungen bei der konkreten Umsetzung. So arbeitet der Netzbetreiber in Ostdeutschland seit Anfang 2020 an einer künstlichen Intelligenz, die Störungen/ Ereignisse an Schaltanlagen in Umspannwerken erkennt, bevor sie offensichtlich und kritisch werden. „Ein Frühwarnsystem ist ein wichtiger Schritt, um Schäden an Anlagen und damit verbundene größere Stromausfälle zu minimieren und so die Versorgungssicherheit zu verbessern“, sagt Mirko Schuster, Leiter Projekt KI@enviaM bei MITNETZ STROM. Der größte regionale Verteilnetzbetreiber in Ostdeutschland ist zuständig für rund 73.000 Kilometer Leitungsnetz und fast 200 Umspannwerken in Teilen von Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Rund 2,2 Millionen Einwohner sind am Stromnetz angeschlossen. Um diese Kunden sicher und zuverlässig mit Strom zu versorgen, spielen Netzdaten eine immer größere Rolle. Diese gilt es intelligent und vorausschauend zu nutzen, um Anlagen zu beobachten und frühzeitig Fehler zu erkennen. Einige Anwendungsfälle testet die enviaM-Gruppe und arbeitet dabei mit Datenspezialisten von E.ON und einem externen Partner seit über einem Jahr zusammen.

Drohne und KI

Insgesamt gilt das deutsche Stromnetz als eines der stabilsten der Welt. Dafür investieren die Netzbetreiber viel Geld, Zeit und Mühe. Jedes Jahr untersuchen Verteilnetzbetreiber ihre Hochspannungsfreileitungen aus dem Hubschrauber. Beschädigungen und Gefährdungen an Leitungen und Masten, die vom Boden nur schwer zu erkennen sind, werden aufgespürt. Erforderliche Maßnahmen werden umgehend eingeleitet. Die Begutachtung dient einer sicheren und stabilen Stromversorgung. Inzwischen hält hier der automatisierte Einsatz von Drohnen Einzug. So testen bereits das Bayernwerk und MITNETZ STROM diese digitalen Prozesse. Künftig sollen 3-D-Kameras, digitale Versionen des Stromnetzes erstellen. KI gleicht das aktuelle Bild mit dem Idealzustand ab, erkennt Störungen automatisch und meldet etwaigen Handlungsbedarf.

 

Drohnen erkennen Schäden am Netz

Drohnen erkennen Schäden am Netz

 

Die Bayernwerk Netz GmbH setzt beim Betrieb ihrer Energienetze voll auf Digitalisierung. Bayerns größter Verteilnetzbetreiber entwickelt sowohl intern als auch mit externen Partnern aus der Technologie-Branche zusammen neue Lösungen für die Netzpraxis. Dazu zählt das Projekt „NEXT.SwitchON“, das für die digitale Inbetriebnahme von Trafostationen steht. Die Tablet-basierte App „NEXT.SwitchON“ übernimmt bei der Inbetriebnahme neuer Ortsnetzstationen die mobile Datenersterfassung. Durch eine intuitive Bedienung wird der Nutzer durch alle Bearbeitungsschritte geführt – ganz ohne Stift und Papier. Eine intelligente Bilderkennung erfasst sämtliche Bauteile der Station und übermittelt sie digital. „Wir treiben die Digitalisierung unserer Arbeitsschritte konsequent voran. Unter intelligenten Netzen verstehen wir weit mehr als innovative Komponenten für die Netzsteuerung und den Betrieb. Effiziente, innovative, sichere und schnelle Prozesse rund um Inbetriebnahme, Instandhaltung und Wartung gehören ebenso dazu. Mit unserer Digitalisierungsoffensive NEXT erschließen wir uns neue Möglichkeiten und entwickeln parallel Lösungen, die nicht nur für uns, sondern auch für unsere Partner und Kunden spannend sind“, betont Vorstandsvorsitzender Egon Westphal. Die Entwicklung der „NEXT.SwitchON“-App ist eine von vielen Innovationsprojekten des Bayernwerks. Das Unternehmen hat unter dem Namen NEXT eine Digitalisierungsoffensive gestartet, die neue digitale Lösungen für den eigenen Betrieb, aber auch für andere E.ON-Netzbetreiber und Partner sowie für den Drittmarkt entwickelt und umsetzt.

 

Einsatz moderner Robotertechnik für die Inspektion von Umspannwerken bei E.DIS

Einsatz moderner Robotertechnik für die Inspektion von Umspannwerken bei E.DIS

 

Ein weiteres Pilotprojekt, bei dem künstliche Intelligenz Anwendung findet, ist moderne Robotertechnik in Umspannwerken einzusetzen. So gibt es derzeit Tests in einem Umspannwerk der E.DIS in Altentreptow in der Teetzlebener Chaussee. Dort werden – in enger Zusammenarbeit mit dem Start-Up Energy Robotics – mobile, autonome Roboter mit hochsensiblen Messsystemen an die speziellen Anforderungen des Netzbetreibers angepasst. Diese eignen sich hervorragend, um repetitive Aufgaben wie das Auslesen von Messwerten und Sammeln von Inspektionsdaten zuverlässig zu automatisieren. „Um bei der Inspektion von Umspannwerksanlagen und -technik zukünftig digitale Lösungen einsetzen und davon auch nachhaltig profitieren zu können, hat E.DIS dieses Pilotprojekt gestartet“, erläuterte Sven Mögling, Innovationsmanager bei E.DIS. Die Roboter werden vor Ort intensiv getestet und gemeinsam mit den Experten des Spin-Offs der TU Darmstadt weiterentwickelt. Ziel ist es, eine Lösung zu schaffen, die einfach, kosteneffizient und ressourcenschonend auf jeden gewünschten Standort adaptiert werden kann. Nach der Pilotphase ist der Einsatz in zahlreichen Umspannwerken der E.DIS in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ein mögliches Szenario für einen späteren Regelbetrieb.

E.DIS verspricht sich hierbei insbesondere zahlreiche neue Erkenntnisse im Bereich der Inspektion von Umspannwerkstechnik, wie beispielsweise dem Ablesen von analogen Mess-Instrumenten. Daneben sollen aber auch grundlegende Fragen der Sicherheit geprüft und überwacht werden wie beispielsweise, ob die vorhandenen Umspannwerkszäune Beschädigungen erlitten haben oder Türen nicht verschlossen wurden. Mit dem Start-Up aus Darmstadt, welches erst vor wenigen Jahren aus einer erfolgreichen Ausgründung der TU Darmstadt hervorging, konnte der Netzbetreiber einen Partner mit umfassendem Knowhow im Bereich der Entwicklung und Bereitstellung von speziellen Betriebssystemen für Messroboter gewinnen. So bietet Energy Robotics die erste kommerziell verfügbare Softwareplattform, die ein Hardware-unabhängiges Roboterbetriebssystem, cloudbasiertes Flottenmanagement und KI-getriebene Datenanalyse für industrielle Anwendungen zusammenführt. Darüber hinaus können mit den auf den Robotern installierten Kamerakomponenten auch umfassende 3D-Karten von dem Gelände des Umspannwerkes erstellt werden. Neben der eigentlichen Erfassung und Speicherung solcher Angaben und Informationen, steht auch die erforderliche Übertragung via Mobilfunk im Fokus des aktuell laufenden umfangreichen Tests.

Ameisenalgorithmus für die Netzplanung

Ein anderes Feld, bei dem neue Technologie eingesetzt werden, ist die Netzplanung. So haben LEW Verteilnetz (LVN) und MITNETZ STROM in Zusammenarbeit mit dem Engineering-Spezialunternehmen IAV eine selbstlernende Software im Rahmen eines Pilotprojekts getestet. Die Software unterstützt Verteilnetzbetreiber ihre strategische Zielnetzplanung zu automatisieren und unterschiedliche Erweiterungsszenarien vergleichen zu können. Solche Lösungen können den Planungsprozess beschleunigen und Investitionskosten dank optimierter Netzstrukturen reduzieren. Das Herzstück dieser Anwendung ist eine optimierte Variation des so genannten Ameisenalgorithmus, der bei logistischen Verteilungsaufgaben häufig verwendet wird. Vorbild sind Ameisen auf Nahrungssuche, die eine möglichst kurze Verbindung zwischen ihrem Bau und einer Nahrungsquelle wählen. Für den Einsatz bei Netzbetreibern haben Software-Ingenieure den Algorithmus erweitert, um der Komplexität von Stromverteilnetzen gerecht zu werden. Stephan Fettke, Netzplaner bei LVN, sagt: „Unsere bisherige Erprobung zeigt, dass die Software ein sehr hilfreiches Werkzeug bei der Bewältigung unserer heutigen Planungsaufgaben ist. Gleichzeitig rüsten wir uns durch die Erprobung solcher Anwendungen für die Bewältigung von steigenden Anforderung aus dem Zubau von erneuerbaren Energien und der Elektromobilität.“

Welche Rolle spielt die Transformation zu neuen Arbeitsweisen?

Neben der Etablierung von KI im Unternehmen sind Transformationen und neue Arbeitsweisen in Unternehmen notwendig, um praktischen Erfolg zu generieren. Die Herausforderungen beim Einsatz von digitalen Methoden und KI liegen auf 1) Menschen und Arbeitsweisen, 2) Skalierungen und 3) Datenqualität und Verfügbarkeiten, so nimmt MITNETZ STROM die Veränderungen war. Nur mit diesen Schwerpunkten kann ein strukturierter und gleichzeitig schneller Prozess entwickelt werden. So ist der Einsatz von KI nur der Anfang. „Das Potenzial unseres Datenschatzes für intelligente und vorausschauende Netzbewirtschaftung ist groß“, fasst Schuster von MITNETZ STROM zusammen. Zudem geht es mit einem enormen Kulturwandel einher und löst eine gewisse Dynamik aus.

 

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